Mittwoch, 19. Dezember 2012

Die smarte Andrea



Lieber Tagesbuch,

  
ich kam mir vor wie in London, obwohl ich noch nie in meinem Leben in London war, voll bescheuert. Außer an unserem Tisch schienen alle Leute an diesem Abend eine Zigarette nach der anderen zu rauchen. Bei uns war Kerstin die einzige Raucherin, aber sie drehte sich ihre Zigaretten selber und brauchte für das Drehen sehr lange und als sie damit fertig war, schien sie manchmal vergessen zu haben, dass sie eine Zigarette rauchen wollte.
Normalerweise isst man ja in so einer Räucherbude Fisch, aber wenn ich nicht weiß, ob die Küche gut ist oder nicht, dann bestell ich meistens arabische Penne. Das ist ein Nudelgericht, das ursprünglich aus der Region Latium in Norditalien kommt, dort aber von arabischen Einwanderern mit landestypischen Gewürzen verfeinert und perfektioniert wurde. Das Gericht ist scharf gewürzt mit Zwiebeln, Chili und Knoblauch und da kann man nicht viel falsch machen. Da ich ja wusste, dass es im St. Vith ein wenig länger dauern könnte, bis einem die Speisen gereicht würden, habe ich mir sicherheitshalber noch eine Suppe als Vorspeise bestellt. Beim letzten Treffen mit den Mainzern war die Petra dabei und da war die der Suppenkasper, aber diesmal habe ich die Rolle übernommen.
Bevor Alle ihr Essen bestellt hatten, standen schon die ersten Getränke vor uns auf dem Tisch. Die drei Gäste aus Mainz tranken Kölsch und Rotwein und es schien so, als ob sie kein Bier mochten, voll bescheuert. Da ich ja den Taxi Driver spielen musste, trank ich an diesem Abend Bier ohne Alkohol und das ist fast genauso bescheuert wie Sportschau ohne Fußball. Gut, manchmal schau ich mir auch Skispringen an, aber da muss schon gerade Neujahr sein oder halt kein Fußball im Fernsehen laufen. Neulich hatte ich  mal Jever Fun getrunken:  das ist so eine Art Pils ohne Alkohol und diesmal hatte ich mir ein Weizenbier ohne Alkohol bestellt, ein Funziskaner. So hatten wir Alle unseren Spaß und die Zeit verging wie im Flugzeug.
Und  auf einmal fühlte ich  mich an einen meiner Ausflüge in den Hunsrück erinnert und zwar in dem Moment als Andrea ihr Smartphone hervor holte und sich fortan damit beschäftige. Ich dachte immer, dass das nur eine Eigenart der Hunsrücker Frauen ist, aber entweder war das eine optische Täuschung oder Andrea hat Vorfahren, die aus dem Hunsrück stammen oder Andrea hatte ihre Tage, denn Ausnahmen gibt es immer in der Regel. Jetzt fragst du dich sicherlich, was man so in der Gesellschaft mit einem Smartphone macht und ich habe mir nicht nur das gedacht, sondern dachte mir, dass Andrea sich mit uns langweilen würde, voll bescheuert. Sie erzählte uns etwas von einer Whatsapp Gruppe und dass sie diese doch informieren müsse, wie es hier in Gladbach so sei und dann machte sie noch ein Foto und schickte das an ihre Selbsthilfe Whatsapp Gruppe, voll bescheuert. Ich habe mir in dem Moment vorgestellt, dass Andrea bestimmt eines Tages bei den anonymen Whatsappern landen wird und ich dachte daran, wie sie in der Gruppe saß und sich vorstellte: „ Ich bin Andrea G. aus E. und seit zwei Jahren bin ich Mitglied in mehreren Whatsapp Gruppen. Zuerst habe ich das  noch selten gemacht aber seit einem Jahr ist das zu eine Sucht geworden und ich kann nicht mehr, ohne zu Appen. Bevor ich frühstücke teile ich den anderen Gruppenmitgliedern mit, dass ich online, aber noch müde bin und wie manch Nikotinabhängiger seine Zigarette danach braucht, so brauche ich mein Whatsapp danach.“ Das war jetzt nur meine Phantasie lieber Tagesbuch und da ich früher ganz oft im Phantasieland in Brühl war, habe ich auch reichlich davon, voll bescheuert.
Irgendwann meldete sich aber Andreas Magen zu Wort und begann zu knurren. Auch den Anderen fiel auf, dass wir mittlerweile fast zwei Stunden auf unser Essen warteten, aber  lediglich Andrea merkte ich an, dass  sie keine Geduld mehr hatte und ich fühlte mich an das Treffen mit den Mainzer Freunden von vor zwei Jahren erinnert. Damals hatten wir fast genauso lang auf unser Essen gewartet und Daniela, eine Freundin aus dem Hunsrück, machte den Chef  des Hauses freundlich darauf aufmerksam, dass sie im Hunsrück etwas anderes unter Gastfreundschaft verstehen würde. Und wenn du Daniela kennen würdest, dann wüsstest du, dass sie das ruhig und sachlich gemacht hatte, aber bei Andrea schien der Hunger so groß zu sein, dass man das Schlimmste befürchten musste. In der Zwischenzeit brachte mir der Kellner das fünfte Funziskaner und rempelte beim Servieren Andrea an und schüttete etwas Bier über ihren Oberarm. Zum Glück, denn dadurch war sie etwas von ihrem Hunger abgelenkt und da sie nicht wusste, worüber sie sich mehr aufregen sollte, verteilte sich ihr Unmut zu gleichen Teilen auf das verschüttete Bier und auf das fehlende Essen.
Auf jeden Fall führte ihre Unmutsäußerung dazu, dass wir kurz darauf unsere Vorspeisen und auch bald darauf unsere Hauptspeisen erhielten. Und ich glaube, dass Alle ganz zufrieden mit ihrem Essen waren, denn keiner beschwerte sich und die Teller waren nachher leer. OK, am Anfang war Andrea der Meinung, dass ihr Salat versalzen gewesen wäre, aber sie wollte sich nicht schon wieder beschweren und wie sagt der Mainzer immer so schön? Verspürst du Hunger im Magen, dann kannst du auch etwas mehr Salz vertragen.  Ach ja, bevor sie ihren Salat aß, fotografierte sie noch schnell den Salat und schickte ihn an die Eberheimser Whatsapp Gruppe, voll bescheuert.
Wenn ich mal wieder etwas Zeit habe, dann werde ich dir vielleicht noch mehr über den weiteren Verlauf des Abends berichten.




bis neulich
Mütze

2 Kommentare:

  1. Tja..und dabei hat vor einem Jahr der Chef und das komplette Team gewechselt..

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  2. ... früher sagte Heinemann ja: what´s loose - heute würde er sagen: what´s app :-)))

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